Leuvener Engagiertheitsskala

In diesem Beitrag geht es um das Beobachten sowie der professionellen Auswertung dieser Beobachtung unter Anwendung der Leuvener Engagiertheitsskala. Der Aufbau folgt dem klassischen Szenario. Zuerst finden Beobachtungen während des Freispiels statt. Bei diesen Beobachtungen gilt es nun auf Signale zu achten, welche in der Leuvener Engagiertheitsskala angewandt werden. Hier könnte man beispielsweise das Signal Selbstvertrauen oder Durchsetzungsvermögen nennen. In Kombination mit den Stufen 1,3,5 (früher 1,2,3,4,5) lässt sich nun eine Einordnung vornehmen.

Nachdem mehrere Beobachtungen in unterschiedlichen Situationen erfolgt sind, lassen sich Rückschlüsse auf Interessen und Thema des Kindes ziehen. Diese wiederum können nun zur weiteren pädagogischen Planung herangezogen werden.

Nachfolgend erhaltet ihr ein Praxisbeispiel mit drei Beobachtungen, Auswertungen und einer kurzen pädagogischen Planung zum weiteren Vorgehen, schließlich wollen wir ja mit den Ergebnissen der Beobachtung etwas bewirken.

1. Beobachtung – Klara in der Spielküche

Beobachtungsprotokoll

K. ist mit E. und C. im mittleren Bereich der Spielküche. K. dreht sich zu ihrer linken Seite und sagt zu E.: „Lass uns Zaubern und dafür beide Hände benutzen!“ Im selben Moment hebt K. beide Hände gleichzeitig nach oben sodass diese auf Schulterhöhe ausgestreckt sind. K. sagt nun: „Lasst uns C. zu einem Affen machen!“. Direkt nach der Aussage dreht K. ihren Kopf weiter nach links und blickt mit festen Augen und Gesichtsausdruck auf C. Von E. kommt keine Reaktion.

K. wartet 5 Sekunden und geht daraufhin zum rechten Bereich der Spielküche. K. ruft zu C. zweimal hintereinander in lauterem Ton: „Willst du Kuchen backen?“. C. schaut zu K. und sagt leise: „Nein“. K. dreht sich daraufhin schnell nach rechts und legt beide Arme ausgestreckt auf einen höheren Schrank neben der Spielküche. K. schaut mit den Augen im Raum umher und wackelt dabei mit beiden Füßen nach vorne und hinten. Nach 30 Sekunden geht K. zurück zu C. im Spielküchenbereich und sagt: „Das sind Papiertücher, die dürfen wir nicht zerreißen“.

C. reagiert nicht auf die Aussage und K. geht zu einer Erzieherin am anderen Ende des Raumes. K. wartet bis die Erzieherin mit reden fertig ist und erzählt: „C. nutzt Taschentücher und zerreißt diese. Das dürfen wir nicht“. Die Erzieherin sagt zu K.: „Bitte sage C., das sie keine Tücher mehr zerreißen soll“. K. geht daraufhin zurück zu C. in den Spielküchenbereich und sagt: „ Wir dürfen keine Papiertücher zerreißen und ich sage jetzt Stopp und du darfst dich dann nicht mehr bewegen!

Erst nach dem Stopp darfst du tanzen“. C. reagiert nicht auf die Aussage. E. steht links neben C. und dreht sich nach der Aussage zu K. und sagt: „Okay, aber ich fange an!“. K. verdreht die Augen und geht daraufhin zu einem Rollladen links vorderhalb der Spielküche. K. fasst den Seilzug mit beiden Händen an und beginnt das Seil nach rechts schwingen zu lassen. K. hält beim Zurückschwingen das Seil fest und wiederholt das schwingen 9x. K. sieht mich sitzen und kommt zu mir. K. frägt: „Können wir zusammen zaubern?“.

Wohlbefinden & Engagiertheit

Wohlbefinden Stufe 4 | Engagiertheit Stufe 1-2

Begründung zu Wohlbefinden

K. ist offen und empfänglich für ihre Umgebung, indem sie Kontakt zu anderen Kindern (E. & C.) aufnimmt und Spielsituationen sucht. Ebenfalls beobachtet K. das Verhalten anderer Kinder in ihrer Umgebung (K. beobachtet das Zerreißen von Papier durch ein anderes Kind). Der Gesichtsausdruck ist während der Beobachtungszeit offen. Beim Zaubern ist der Gesichtsausdruck und insbesondere die Augen direkt auf das nahestehende Kind C. gerichtet. K. empfängt bei der Kommunikation Blicke und erwidert diese während des Gesprächs. Auch negative Gefühle kann K. ausdrücken (verdreht die Augen weil sie etwas nicht möchte). Aufgrund der Intensität des Bereichs Offenheit wird die Zahl 4 vergeben.

Während der Beobachtung war es nicht feststellbar, ob K. sich schnell in einer neuen Umgebung gut einfinden kann oder ob sie auf neue Situationen angepasst handeln kann. K. zeigte auch keine Bereitschaft Kompromisse zu schließen oder Alternativen der Kinder anzunehmen (E. möchte bei dem vorgeschlagenen Spiel beginnen aber K. verdreht nur die Augen und geht weg). Deshalb wird der Bereich Flexibilität mit der Stufe 2 belegt.

K. zeigt Selbstsicherheit durch klare und verständliche Aussagen (bspw. „Lasst uns C. zu einem Affen machen“). Ebenfalls versucht K. durch mehrmaliges auffordern auf ihre Wünsche aufmerksam zu machen (K. ruft zu C. zweimal hintereinander: „Willst du Kuchen backen?“. Auf die daraufhin folgenden Ablehnungen durch die anderen Kinder reagiert K. nur kurz aber lässt sich von dem Misserfolg nicht dauerhaft belasten. Aus diesen Gründen wird für den Bereich Selbstvertrauen die Stufe 5 vergeben.

K. beansprucht Beachtung von ihrer Umgebung, einerseits durch die Kontaktaufnahme und Aufforderungen zum Spielen mit den anderen Kindern als auch durch Kontaktaufnahme zur Erzieherin wegen des Zerreißens der Papiertücher. K. teilt eigene Bedürfnisse und Anliegen (Spielwünsche, Vorschläge, Wunsch dass sich jeder an Regeln hält) adäquat mit. Von anderen Kindern lässt sich K. nicht beeinflussen, vielmehr bleibt sie bei ihrer Spielidee (E. möchte bei dem vorgeschlagenen Spiel beginnen aber K. verdreht nur die Augen und geht weg, da es nicht nach ihrer Vorstellung ist). Dies belegt auch, dass K. nicht ohne Weiteres auf Vorstellungen anderer Kinder eingeht. Daher wird für den Bereich Durchsetzungsvermögen die Stufe 5 vergeben.

Im Bereich der Vitalität lassen sich nur strahlend Augen und eine aufrechte Körperhaltung festlegen, welche bei der gesamten Beobachtung festgestellt werden konnten und insbesondere auch beim Zaubern mit den beiden Händen sichtbar war. Deshalb wird die Stufe 2 für den Bereich der Vitalität vergeben.

Die Bewegungen von K. waren stets ruhig und fließend in ihren Bewegungen. Der Körper war nur zu bestimmten Aktionen (bspw. Zaubern) angespannt, sonst jedoch entspannt. Gespräche und Äußerungen von K. waren in einem normalen Sprechtempo und ohne erhöhte Lautstärke. Für den Bereich Entspannung und innere Ruhe wird die Stufe 4 vergeben.

Signale für den Bereich Genießen können konnten nicht beobachtet werden, daher wird hier die Stufe 1 vergeben. Dennoch war K. während der Beobachtungszeit stets im Einklang mit sich selbst und ihren Wünschen und Gedanken, was durch klare Äußerungen und Vorstellungen gezeigt wurde. Dies bestätigt auch, dass K. für sich selbst zu wissen scheint, was sie denn braucht. Deshalb vergebe ich für den Bereich im Einklang mit sich selbst sein die Stufe 4.

Zusammenfassend vergebe ich nach der Leuvener Engagiertheitsskala für den Bereich des Wohlempfindens die Stufe 4.

Begründung zu Engagiertheit

K. begrenzt ihre Aufmerksamkeit auf den Bereich der Spielküche und den Seilzug des Fensterrollos. Sie hat keine sichtbaren Anzeichen des Signals Energie. Auch bei dem Signal der Komplexität, Vielschichtigkeit und Kreativität sind keine sichtbaren komplexen Handlungen oder Aktivitäten erkennbar, welche über Routinetätigkeiten hinausgehen. Beim Gesichtsausdruck konnte man insbesondere beim „Zaubern im Spielküchenbereich“ verstärkte Mimik und intensives „schauen“ beobachten. Im Signalbereich der Ausdauer konnten während der Beobachtung keine Signale festgestellt werden. K. blieb nicht lange bei einer Sache und hierdurch war auch keine Konzentration auf eine Aktivität vorhanden. Ebenfalls hat K. während der Beobachtungszeit mehrere verschiedene Spiele begonnen.

Eine detaillierte Genauigkeit oder ein bewusstes sorgfältiges und genaues Handeln führte K. nicht aus. Sie war jedoch aufgeweckt im Bereich der Spielküche aktiv und reagierte sofort, als C. Papiertaschentücher zerriss, dass nicht erlaubt ist. Die anderen zwei Signale der Reaktionsbereitschaft konnten jedoch nicht beobachtet werden. Verbal äußerte sich K. durch spontane Ausdrücke wie „Lasst uns C. zu einem Affen machen oder willst du Kuchen backen?“. Ein vertieftes mit sich selbst reden, begeistertes Erzählen oder spontane Laute äußerte K. nicht. Im Signalbereich der Zufriedenheit hatte K. über den Beobachtungszeitraum bei der Tätigkeit des Zauberns eine positive Mimik. Während der restlichen Beobachtungszeit waren andere Signale wie Freude, genießen oder Ähnliche nicht wahrnehmbar.

Zusammenfassend vergebe ich nach der Leuvener Engagiertheitsskala für den Bereich der Engagiertheit die Stufe 1-2.

Perspektiven & Interessen des Kindes

Aus Sicht von K. füllt sie sich wohl in der Gruppe und weiß mit sich und den Kindern sowie den Erziehern umzugehen. Sie kam jedoch nicht so recht ins Spiel, da sie mit den anderen Kindern gemeinsam nur nach den anderen Ideen und Vorgaben spielen sollte. Des Weiteren haben die anderen Kinder bereits gespielt und K. konnte sich in das Spiel nicht integrieren. Mögliche Interessen von K. könnten Zauberei, Hexen, Fantasie oder das Backen sein. All diese Interessen wurden bei der Beobachtung sichtbar.

2. Beobachtung – Klara im Atelier

Beobachtungsprotokoll

K. sitzt am Maltisch im Atelier und bastelt an weißen Blättern gemeinsam mit E., welche zu ihrer rechten sitzt. K. wirft ein weißes Blatt mit der rechten Hand zu E. und sagt: „Super oder?“. E. nimmt das Blatt mit beiden Händen und wirft es ebenfalls in die Luft. E. sagt daraufhin zu K.: „Ein Flugzeug!“ und K. reagiert darauf mit den Worten: „ Nein, das ist ein U-Boot das Fliegen kann!“. Beide schauen sich an und lachen laut. K. greift jetzt mit der rechten Hand zu den Wachsstiften und versucht diese mit einem Spitzer, den sie in der linken Hand hält, zu spitzen.

K. versucht dies 15 Sekunden. K. versucht nun, den Wachsstift fester mit der rechten Hand hineinzudrücken. Sie hebt beide Hände hoch um in den durchsichtigen Spitzer hineinschauen zu können. K. legt nun den Stift samt Spitzer vor sich auf den Tisch und greift mit der rechten Hand nach der gelben Schere, welche ebenfalls vor ihr liegt. K. nimmt die Schere nun mit beiden Händen, hebt diese vor ihr Gesicht und dreht die Schere 7x im Kreis. Hierbei öffnet und schließt sie die Schere 10x hintereinander. Sie ist mit den Augen fest auf die Schere fokussiert und die Mimik ist angespannt.

Nun führt K. die Bewegungen 1x langsam aus. K. nimmt mit der linken Hand ein weißes Blatt vom Tisch und klemmt dieses zwischen der Schere ein. K. dreht den Kopf nach rechts zu E. und sagt: „Schau E., das ist ein Zauberstab, der jetzt geteilt wird. Willst du auch einen haben?“ . E. antwortet zu K.: „Ja gern. Aber dann zaubern wir zusammen!“. K. sagt daraufhin zu E.: „Dann lass uns zusammen zaubern. Das gibts zwar gar nicht aber dann eben doch.“ E. sagte daraufhin zu K. zurück: „Klar gibt es Zauberei!“. K. antwortete: „Hex Hex Hex!“.

Wohlbefinden & Engagiertheit

Wohlbefinden Stufe 3 | Engagiertheit Stufe 4

Begründung zu Wohlbefinden

K. ist offen und empfänglich für ihre Umgebung im Bereich des Ateliers, da sie in Interaktion mit E. tritt. K. besitzt während der Beobachtung einen direkten Gesichtsausdruck, was sich insbesondere beim „Anschauen von E. während der Flugzeug/U-Boot-Diskussion zeigt.“ Hierbei erwidert K. auch die Blicke von E. Die Signale des Bereichs der Flexibilität wie schnelles Zurechtfinden oder das Anpassen an neue und ungewohnte Situationen konnte während der Beobachtung nicht erkannt werden. Ebenfalls gab es während der Beobachtungszeit keine Probleme oder Frustrationen.

Im Bereich des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls hat K. während der Beobachtungszeit versucht, einen zu dicken Stift zu spitzen und hierbei mehrfach versucht, diesen Stift in den zu kleinen Spitzer zu bekommen. K. hat in dieser Situation ausprobiert etwas zu lösen, auch mit dem Risiko, es nicht zu schaffen. Der letztliche Misserfolg betrübte K. nicht. Während des gemeinsamen Bastelns beanspruchte K. Beachtung von E. (geäußert durch zuwerfen eines Blattes oder die Frage nach dem Zauberstab). Ebenfalls äußerte K. eigene Vorstellungen zu dem weißen Blatt indem sie zu E. sagte: „Nein, das ist ein U-Boot das fliegen kann!“. Im Signalbereich der Vitalität ließ sich während der gesamten Beobachtungszeit eine aufrechte Körperhaltung sowie ein energischer Eindruck beim Erkunden der Schere feststellen.

Die Muskeln von K. waren nicht verkrampft und die Bewegungen von K. wurden in normaler Geschwindigkeit und gleichmäßig ausgeführt. K. sprach mit E. im normalen Sprechtempo und in normaler Lautstärke. Im Bereich des Signals genießen können zeigt K. Begeisterung für das weiße Blatt sowie für die Schere. K. scheint für sich selbst zu wissen, was sie braucht.

Zusammenfassend vergebe ich nach der Leuvener Engagiertheitsskala für den Bereich des Wohlbefindens die Stufe 3.

Begründung zu Engagiertheit

K. hat eine gezielte Aufmerksamkeit auf einen eingegrenzten Bereich, der sich durch das genaue Beobachten der Schere darstellt. Ebenfalls fokussiert K. die Schere über einen längeren Zeitraum, wodurch die Augen fast ununterbrochen auf die Aktivität gerichtet sind. Selbst äußere Reize wie hohe Lautstärke aufgrund der großen Gruppenstärke haben K nicht abgelenkt oder gestört. Sie war mit Eifer und Begeisterung bei der Schere sowie dem Werfen des weißen Blattes mit E. dabei, was sich auch durch die Unterhaltung zwischen K. und E. und dem gemeinsamen Lachen zeigt. Komplexere Handlungen oder Aktivitäten, welche über Routinetätigkeiten hinausgehen und individuelle Beiträge konnte ich während des Beobachtungszeitraums nicht feststellen.

Die Körperhaltung von K. zeigte insbesondere bei der Beobachtung der Schere eine angespannte Gesichtsmimik sowie ein intensives „anschauen und betrachten“ des Objekts. K. blieb bei der Beobachtung der Schere bei der Sache und erkundetet diese über einen längeren Zeitraum (7x im Kreis drehen | 10x öffnen und schließen). Das Signal Ausdauer ist dementsprechend stark vertreten. Während des Drehens und Bewegens der Schere fanden auch genaue Bewegungen statt. K. achtete ganz genau auf den Öffnungs- und Schließvorgang der Schere. Sie öffnete und schloss die Schere stets bewusst und sorgfältig. K. war während der Beobachtung im Atelier stets aufgeweckt.

Spontane Ausdrücke wie Lachen konnte während des Bastelns mit den weißen Blättern beobachtet werden. Sie begleitete sich selbst jedoch nicht mit Worten und spontanen Lauten. Begeistertes Erzählen konnte nicht beobachtet werden. Während der Beobachtungszeit konnte Freude bei der Aktivität von K. beobachtet werden. Sie genoss das gemeinsame Basteln und Lachen mit E. K. hatte stets eine freundliche und offene Mimik gegenüber E. Zusammenfassend vergebe ich nach der Leuvener Engagiertheitsskala für den Bereich der Engagiertheit die Stufe 4.

Perspektiven & Interessen des Kindes

K. bastelt sehr gerne mit E., da sie sich über ihre individuellen Vorstellungen austauschen können. K. schnitt mit der Schere aus einem weißen Blatt ein fliegendes U-Boot, das E. jedoch als ein Flugzeug erkannte. Beide fanden ihre Versionen lustig und lachten gemeinsam. Die Interessen von K. und E. sind ähnlich, da beide direkt in dem abgeschnittenen Streifen Papier ein Zauberstab erkannt haben und diesen auch gleich zusammen nutzen wollten. Mögliche Interessen von K. könnten Flugzeuge, Hexen, Zauberei oder ganz allgemein der Bereich der Fantasie/Philosophie sein, da am Ende der Beobachtung beide über das Vorhandensein von Zauberei redeten.

Beobachtung – Klara im Garten

Beobachtungsprotokoll

K. galoppiert schnell wie ein Pferd im Außenbereich von der Schaukel bis zu den drei Kletterstangen. Sie hat ein rotes Seil um ihren Bauch gebunden. Das Ende des Seils hebt M. fest. An den Kletterstangen angekommen löst K. das Seil von ihrem Bauch und gibt es M. in die Hand. K. hat rote Backen und ist verschwitzt im Gesicht. K. sagt zu M: „Jetzt war ich das Einhorn und nun bist du dran.“ M. antwortet zurück zu K.: „Lass uns erst ein Stall bauen.“ K. nimmt mit der rechten Hand das Seil zurück und fängt an es mit beiden Händen an der kleinen Kletterstange festzubinden.

K. flüstert dabei leise: „Pferd, Pferd, Pferd, Stall, Stall, Stall.“. Nachdem beide Seile fest zu einer Schaukel festgebunden sind sagt K. zu M.: „Dass hier ist der Stall, hier musst du nun rein, du bist jetzt das Pferd.“ M. nickt mit dem Kopf und stellt sich mit beiden Beinen auf das hängende Seil. K. dreht sich direkt nach rechts um und hebt mit der rechten und linken Hand gleichzeitig Blätter vom Boden auf. Sie wirft die Blätter auf M. und sagt: „ Hier Pferd ist dein Mittagessen“ und lacht laut dabei. M. schaut zu K. und fängt ebenfalls an zu lachen. K. sagt zu M.: „Komm gib mir das Seil, ich binde es an dir fest und dann rennen wir zu O., vielleicht ist er auch Einhorn“. M. sagt: „oh ja“ und geht von dem Seil herunter.

K. löst daraufhin das Seil von der Kletterstange und bindet es an M. fest. M. rennt los, bevor K. das Seil festgezogen hat. K. ruft laut: „Halt Stopp M. das Seil ist locker.“ M. bleibt daraufhin stehen und K. kann das Seil fester ziehen. Beide rennen daraufhin wie ein galoppierendes Pferd an das andere Ende vom Garten zu einem Erzieher.

Wohlbefinden & Engagiertheit

Wohlbefinden Stufe 4-5 | Engagiertheit Stufe 5

Begründung zu Wohlbefinden

K. empfängt und erwidert Blicke mit M. Ihr Blick ist stets offen und direkt. Während des Spiels strahlt K. eine gehörige Portion Selbstsicherheit aus, was insbesondere beim starken und kräftigen Galoppieren sichtbar wird. Durch das Festbinden des Seils an der Kletterstange sucht K. Herausforderungen, die ihrem Können und Niveau entsprechen. Von M. beansprucht K. Beachtung und möchte bei Entscheidungen im Spiel mit einbezogen werden. K. vertritt auch eigene Wünsche und Anliegen (Ruft laut: „halt Stopp M. das Seil ist locker“ oder sagt zu M: „jetzt war ich das Einhorn und nun bist du dran.“). Ihr Verhalten während der Beobachtung ist voller Leben und Energie. Auch lassen sich Lebensfreude und Kraft erkennen. Die rote Backen und das verschwitzte Gesicht zeugen hiervon.

Das Sprechtempo mit M. ist stets ruhig und langsam. Kurze Sprechpausen entstanden nach dem Galoppieren aufgrund der körperlichen Aktivität. Nach dieser ist K. jedoch schnell wieder völlig entspannt. K. zeigt während des Spiels authentische Freude und Begeisterung. Sie durchlebt die Erfahrung dieses Spiels intensiv und fühlt sich mit M. als Spielpartner und der Natur (Blätter) verbunden. K. macht weiterhin den Eindruck dass sie im Einklang mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen ist.

Zusammenfassend vergebe ich nach der Leuvener Engagiertheitsskala für den Bereich des Wohlbefindens die Stufe 4-5.

Begründung zu Engagiertheit

K. begrenzt ihre Aufmerksamkeit während des gesamten Freispiels auf das Geschehen zwischen ihr und M. Sie ist durchgängig mit den Augen auf die Aktivität gerichtet und auch laute Umgebungsgeräusche durch die anderen Kinder lenken sie nicht von ihrer Aktivität ab. In ihren Bewegungen (u. a. beim Galoppieren) lässt sich Begeisterung und körperliche Energie erkennen. Ebenfalls schwitzt K. durch die Bewegung und hat rote Wangen.

Das Spielgeschehen wird komplexer indem die Rollen getauscht werden und sich zusätzliche Handlungen wie bspw. Futter holen und das Seil an der Kletterstange als Stall befestigen hinzukommen. Hierbei werden individuelle Vorstellungen und Gedankengänge von K. sichtbar. Der Gesichtsausdruck zeugt von körperlicher Anspannung. Intensives schauen und beobachten lässt sich jedoch nicht gesondert erkennen. K. hat bei dem Spiel eine starke Ausdauer. Sie galoppiert quer durch den Außenspielbereich und ist während der Beobachtungszeit stets bei der Sache.

Das Signal Genauigkeit lässt sich insbesondere beim sorgfältigen befestigen des Seils an der Kletterstange beobachten. K. ist stets rege und stetig bei der Sache. Die Idee von M. (Rennen wir zu O.!) greift K. schnell auf und setzt diese um. Während K. dass Seil an der Stange befestigt, begleitet sie ihr Handeln mit den Worten: „Pferd, Pferd, Pferd, Stall, Stall, Stall“. Die Aktivität bereitet K. Freude und das Erleben und Handeln von K. lässt auf eine „Erfahrung als geistiges Erlebnis schließen.“

Zusammenfassend vergebe ich nach der Leuvener Engagiertheitsskala für den Bereich der Engagiertheit die Stufe 5.

Perspektiven & Interessen des Kindes

K. spielt gerne mit E. und M., insbesondere auch im Freispielbereich des Außengeländes. Zum Spiel verwendet K. gerne Seile und andere Naturmaterialien wie Blätter. Die Interessen von K. wurden hier erneut sehr deutlich und lassen sich auf die Bereiche Tiere, Natur sowie Fantasie/Philosophie eingrenzen.

Resümee der Interessen und Thema

Aufgrund der drei durchgeführten Beobachtung mit der Leuvener Engagiertheitsskala lassen sich drei Interessen klar herausfiltern:

  1. Zauberei
  2. Hexen
  3. Fantasie/Philosophieren

In Kombination mit den Alltagsbeobachtungen lassen sich diese drei Interessen weiter eingrenzen auf die Bereiche der Fantasie und des Philosophierens. K. hinterfragt Abläufe von Naturmechanismen und stellt bei gezielten Nachfragen durch einen Erzieher bereits Hypothesen auf, welche sie durch eigene Überlegungen bekräftigt oder wieder verwirft. Gerade beim Freispiel mit anderen Kindern habe ich des Öfteren beobachtet, dass K. in Diskussionen mit anderen Kindern verwickelt ist, wenn es nicht nach ihrer Vorstellung geht. K zeigt dann oftmals eine geringe Frustrationstoleranz und verlässt den Bereich der Diskussion einfach. Dies ließ sich auch bei der ersten Beobachtung feststellen.

Das aktuelle Thema könnte beispielsweise die „Funktion der Welt“ sein. Ebenfalls steht aufgrund der Beobachtungen das Thema „Mein Platz in der Gemeinschaft“ im Raum.

Schlussfolgerungen für die pädagogische Arbeit

Eine Vertiefung der Engagiertheit könnte ich mir durch ein gezieltes Angebot mit einem Kamishibai vorstellen. In diesem könnte das Thema „gemeinsames Philosophieren in der Gruppe“ sein. Hierdurch könnte das Interesse, welches sich in den drei Beobachtungen konstant gezeigt hat, aufgegriffen werden und die Engagiertheit von K. gesteigert werden. Hierfür eignet sich insbesondere die Geschichte „Emma – ohne dich wär die Welt nur halb so schön“. Durch dialogisches Vortragen könnte die Engagiertheit zusätzlich gesteigert werden.

Sebastian Götz
Sebastian Götzhttps://erzieherleben.de
Sebastian Götz ist ein engagierter Experte für frühkindliche Bildung. Er teilt sein fundiertes Wissen praxisnah auf seiner Plattform, die sich an Erzieherinnen, Erzieher und pädagogisch Interessierte richtet und Impulse für den Kita-Alltag sowie die Ausbildung bietet.

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